“Uns kann keiner so schnell digitalisieren“

“Uns kann keiner so schnell digitalisieren“

Civil Courage (v.l.: Merschi, Dr. Oste, Klose und Zille) | Photo: copyright Heike Huntemann

Ein Interview von Christina Angrabeit

Stade / Lähden. Nach dem Telefoninterview mit Civil Courage Gitarrist Klose folgte am 26. Mai 2024 ein weiteres Interview mit Sänger Zille. Was mir Zille unter anderem über die aktuellen Pläne der Civis, politische Themen, der Digitalisierung und seine Träume verriet, lest ihr im folgenden Interview.

(Das exklusive Video von Civil Courage für meinen offiziellen YouTube-Kanal findet ihr unter diesem Interview verlinkt)

CA: Wie bist du zum Singen gekommen? Gab es einen Auslöser oder Startpunkt? Was waren deine Anfänge?

Zille: Wie das denn immer so ist. Man hat immer selber rumgetüddelt und rumgemacht mit dem Singen. Als Kind ja schon immer. Ich habe Instrumente kennengelernt, aber keine so richtig gelernt. Dann habe ich den Klose und den Merschi kennen gelernt, die hatten schon eine zwei bis drei Mann Band aufgemacht und da hatte ich einfach mal so nachgefragt, ob ich da mal singen könnte. So kam es dann dazu, dass ich das einfach gemacht habe. Aus so einer Bierlaune heraus. (lacht)

CA: War Dr. Oste da damals auch schon dabei oder kam der erst später?

Zille: Der kam erst circa zehn Jahre später dazu.

CA: Wie ist die Band denn entstanden?

Zille: Entstanden ist die Band bei der Haselünner Kirche, wo wir uns erstmal nur so getroffen hatten, damit ich dort vorsingen kann. Die waren alle jünger als ich, denn ich war schon 15. Oder ich wurde gerade 16 und durfte schon Bier kaufen und die noch nicht. (lacht) So haben die mich aufgenommen, da ich ja schon Bier kaufen durfte. (lacht) Es gab einen Kiosk in der Nähe der Kirche, den gibt es sogar immer noch, da haben wir immer unser Bier geholt. Wir haben dann vor der Kirche gesessen und haben beschlossen- so wir machen jetzt eine Band auf. So ist das Ganze entstanden. Der Name entstand durch eine Platte namens Zivil Courage und wir wollten das dann nicht mit Z sondern mit C geschrieben haben. Das kam aus einer Bierlaune heraus und weil wir etwas machen wollten.

CA: Was war dein emotionalster Moment mit den Civis?

Zille: Das war letztes Jahr, wo wir das Moorsoldatenlied direkt in der Gedenkstätte Esterwegen gespielt haben. Das heißt, dort ist ein Museum und da wurden die Gründer geehrt. Die wollten das Lied hören. aber dann nur von uns. Weil wir unsere Version herausgebracht hatten. Als wir das dann gespielt hatten und die Anwesenden und Angehörigen Tränen im Gesicht hatten, war das schon sehr emotional. Da saßen auch viele die Rang und Namen hatten in der Region mit Schlips und Kragen. Am Ende der ganzen Kundgebung haben wir unsere Version von dem Lied dort gespielt. Das war sehr emotional.

CA: Wie ist das Moorsoldatenlied entstanden?

Zille: Die Geschichte vom Moorsoldatenlied kennst du vielleicht. Das ist im Arbeitslager Esterwegen / Börgermoor entstanden. Die Insassen mussten für die Leute immer demensprechend auftreten. Und damit sie das Lied singen durften, wurde es als Moorsoldatenlied versteckt. Da haben wir uns gedacht, das Lied wurde schon so oft von anderen Künstlern, Bands und Choren nachgesungen und nachgespielt, aber noch von keiner emsländischen Band. Und da hatte ich die Idee gehabt, dass wir das mal machen sollten. Bloß, das hatte sehr viel Überredungskunst gebraucht, weil die Geschichte so groß war und auch das Lied. Wir hatten alle Angst, dass wir dem Lied nicht gerecht werden.

CA: Dem war aber nicht so.

Zille: Nein. Die Überzeugungskunst war, dass ich allen sagen musste: Das kriegen wir hin. Wenn den Song einer als Band nachsingen und nachspielen sollte, dann sollten wir das sein, sonst keiner. Dann habe ich nach vielen Reden und nach einigen Tagen gesagt: Komm mir machen das. Und das Ergebnis ist auch echt super geworden. Das Video dazu haben wir auch dort gedreht, wo das Ganze auch wirklich war. Das Konzentrations- Arbeitslager ist zwar nicht mehr da, aber Historiker haben uns geholfen und konnten uns das genau sagen. Wir sind dann zum Moor gefahren und haben das Musikvideo dort gedreht.

CA: Das urspüngliche Arbeitslager gibt es also nicht mehr?

Zille: Ja, das steht so nicht mehr. Da stehen, glaube ich, nur noch ein Tor, ein paar Steine und eine Statue. Und da wo die gearbeitet haben, ist, glaube ich, nur noch eine Wiese mit einem Stall. Dort wo damals das Moor gestochen wurde, da haben wir das Video auch gedreht.

Civil Courage (v.l.: Merschi, Zille, Klose und Dr. Oste) | Photo: copyright Heike Huntemann

CA: Wenn du einen Song schreibst, welche Einflüsse bringst du damit rein?

Zille: Das sind immer die Einflüsse, die aktuell passieren. Das was man aktuell erlebt hat. Geschehnisse und ich würde auch sagen, was die aktuelle, politische Lage ist. Die Geschichte wiederkehrt sich leider wieder. Viele alte Texte sind leider immer noch aktuell. Aktueller denn je. Viel auch gegen rechts.

CA: Wie findest du denn die aktuelle, politische Lage?

Zille: Verwirrend. Ich sehe das so, dass die jetzige Jugend unglücklicherweise alles vergisst. was damals war. Die Generation, die das alles erlebt hat, stirbt ja leider aus. Und das jetzt alles sehr durcheinander ist. Und leider ist darauf so eine Art Pulverfass. Das ist die eine Sache und die politische Lage ist leider so, dass ich das Gefühl habe, dass die Leute diese nationale Sicherheit wiederhaben wollen und nicht sehen, was da alles zu gehört. Da muss man schon echt aufpassen. Da kann man nur vor warnen.

CA: Ich habe so das Gefühl, dass die Leute gar nicht das Parteiprogramm lesen.

Zille: Na ja , die sehen alle nur das was jetzt ist, weil alle kein Bock mehr haben. Was man auch gut verstehen kann. Weil die Leute die Geld haben, kriegen immer mehr Geld und Leute die normal arbeiten, die können arbeiten wie sie wollen, können sich anstrengen, wie sie wollen und die kommen einfach nicht weiter.

CA: Der Gehälter werden nicht erhöht und die Preise werden immer teurer.

Zille: Genau, und dann wird das immer nur gerade so erhöht, dass man das gerade so alles wieder hinkriegt. Das ist nicht richtig. Das muss einfach geändert werden. Die Politiker müssen sich ändern. Das Beamtensystem ist komplett überaltet. Das geht nicht mehr. Das ist nicht mehr tragbar. Und die ändern es einfach nicht. Da sind die auch viel selbst dran Schuld. Weil sie sich einfach selber nicht ändern. Da passieren solche Dummheiten. Die frustrierten Wähler, so könnte man es auch nennen.

Civil Courage Sänger Zille | Photo: copyright Heike Huntemann

CA: Manche Leute lesen sich das Parteiprogramm einfach nicht durch. Ich habe da schon so einige angesprochen.

Zille: Ja, die denken sich, ja dann wählen wir die, damit wir denen das oben mal zeigen können.

CA: Ja, dann haben sie danach ein großes Problem, wenn es soweit ist.

Zille: Genau, da kommt man dann so schnell nicht von weg. Wir werden bis nächstes Jahr sehen, wie sich das Ganze entwickelt.

CA: Das wäre sehr schlimm, wenn das so käme.

Zille: Ich würde sagen, alleine regieren werden die nicht, aber wenn die die absolute Mehrheit bekommen, sieht es echt schlecht aus.

CA: Ich denke nicht, dass irgendeine Partei mit den Rechten eine Koalition bilden würde.

Zille: Ich glaube auch nicht. Aber wer weiß, wenn es um Geld und Macht geht, was da alles passieren kann. Nein, das darf aber nicht passieren. Die müssen alles dafür tun, damit so etwas nicht passiert.

CA: Ich habe gelesen, die Rechten verlieren angeblich an Stimmen. Aber, ob das stimmt, ist fraglich.

Zille: Das kann sein. Dann ist das aber nur regional. Auf Bundesebene müssen wir mal gucken, wo die Reise hingeht. Hier hat sich die AfD Gott sei Dank fast selbst vernichtet. (lacht) Hier hat sich deren Spitzenkandidat in Widersprüche verwickelt. Das wird ihn schon einiges an Stimmen kosten. Hoffen wir mal.

CA: Höcke hat ja auch einige Verfahren wegen rechter Äußerungen am Hals.

Zille: Ja, das auch noch. Ich verstehe nicht, warum das viele Leute wählen. Viele sehen das als Hetzjagd. Viele sagen, das stimmt nicht. So wollen die von der AfD das ja auch auslegen. Normalerweise müsste jeder mit ein bißchen Menschenverstand, oder jeder der normal und logisch denken kann, sehen, dass das der Wolf in Schafspelz ist.

CA: Damals war es ja auch so. Blenderei und so weiter.

Zille: Ja, aber das war noch die Weimarer Republik und da war es noch beschissener und da war eine große Inflation. Da war das Geld ja auf einmal nichts mehr wert.

CA: So krass haben wir das jetzt aktuell zwar nicht, aber wir haben auch eine Inflation.

Zille: Ja, genau. Aber nicht ganz so krass. Und mit der Arbeitslosigkeit ist es auch nicht ganz so schlimm, wie früher.

CA: Wir müssen jetzt keine Million zum Bäcker schieben.

Zille: (lacht) Ja genau, oder das mit dem Koffer hinbringen.

CA: Einige Politiker wollen ja auch das Geld abschaffen. Einige sind dafür, einige dagegen.

Zille: Ja, oder die DM wieder holen.

CA: Ja, die Rechten wollen die DM zurückholen. Aber andere Parteien / Politiker wollen das Bargeld komplett abschaffen.

Zille: Da kann ich dir genau sagen, warum die das machen wollen. Da können die besser die Steuergelder kontrollieren und sehen, wo das ganze Geld bleibt. So bist du ja wie in einer Glaskugel. Bei jedem Cent, den du weitergibst, wissen die dann – aha, der war da, der war dort….und du kannst niemanden mal eben fünf Euro Trinkgeld geben.

CA: Ich habe gehört, wenn du jemanden zum Beispiel einen 50 Euro Schein gibst, verliert der Schein nicht an wert. Wenn du aber alles digital hin und her schiebst, kostet das jedes Mal Gebühren. Auch für die Läden, etc.

Zille: Ja, die ganzen Bearbeitungsgebühren. Und die versteckten Gebühren, die du nicht siehst, und Arbeitsabläufe. Also ich fände das eine Katastrophe , wenn man das Bargeld abschafft. Wir wären noch leichter zu manipulieren.

CA: Die können dann alles sehen.

Zille: Die können dann alles steuern. Oder stell dir vor es fällt mal etwas im System aus. Ein Satellit zum Beispiel. Dann kannst du nichts mehr bezahlen. (lacht) Dann stehst du da… Und was machen wir jetzt? Ja, erstmal nichts…

CA: Dann gibts erstmal nichts mehr zu Essen.

Zille: In einigen Läden kannst du nicht mal mit Karte zahlen.

CA: In einigen Läden ist das System auch schon oft ausgefallen und man konnte nur noch bar bezahlen.

Zille: Dann haben wir noch ein paar Dönerläden, die nehmen gar keine Kartenzahlung an. Da steht: Nur Bargeld.

CA: Ich habe noch nie gesehen, dass man in einem Dönerladen mit Karte zahlen kann.

Zille: (lacht) Warum auch. Weil dann viele am Fenster vorbei laufen. Nein, ganz im Ernst. Das wäre eine Katastrophe, wenn das Bargeld ganz weg ist.

CA: Ich habe in vielen Läden schon Selbstbedienungskassen gesehen. Da kann man nur mit Karte dran bezahlen.

Zille: Ich finde das auch total krass und echt nicht gut. Wenn du mal Fragen hast, oder was dran ändern willst….Das wird auch einige Arbeitsplätze kosten. Ich muss das echt nicht haben. Echt nicht. Aber wer weiß , wo wir in zehn Jahren stehen. Mit dem ganzen digitalen Zeitalter. Das Problem ist einfach nur, dass wir uns davon abhängig machen. Ich bin froh, dass wir alle Handwerker-Berufe erlernt haben. Wir leben davon. Uns kann keiner so schnell digitalisieren. Aber irgendwo dahin geht die Reise später wohl hin.

CA: Es werden ja auch Roboter für alles entwickelt.

Zille: Ja, es gibt sogar schon Programme, wo du Lieder mit schreiben kannst.

CA: Echt?

Zille: Ja, da gibts du einfach nur paar Stichwörter ein, die Akkorde, die Geschwindigkeit und dann baut dir das Programm das Lied zusammen.

CA: Da muss man ja fast nicht mehr nachdenken.

Zille: Nein. Und du brauchst auch nicht mehr spielen können. Dann kannst du das Lied so direkt weitergeben und verkaufen.

CA: Und wie sieht das dann live aus? Das wird dann vom Laptop abgespielt?

Zille: Ja, genau. Vielleicht sitzt da noch einer da, der das nachsingt.

CA: Aber es kann keiner mehr spielen.

Zille: Ja, es braucht keiner mehr spielen.

CA: Das finde ich schrecklich. Auch das Ganze mit der künstlichen Intelligenz, wo man sich Briefe zusammen schreiben lassen kann. Du musst ja dann fast gar nichts mehr machen.

Zille: Das ist auch mit dem Zeichnen so. Das gehört alles mit dazu. Das ist schon krass.

CA: Man kann sich auch einfach ein Bild zusammen stellen lassen. Dann ist es die Frage, ob das ein Plagiat ist, da es aus dem zusammengestellt wird, was im Internet verfügbar ist.

Zille: Ja richtig. Es kann nur das zusammengeführt werden, was mit dabei ist. Aber es ist schon echt krass, was es alles schon so gibt. Und ich schätze mal, wir sind gerade erst am Anfang.

Civil Courage Sänger Zille im Studio | Photo: copyright Heike Huntemann

CA: Nachher kann keiner mehr irgendwas alleine.

Zille: Ja, genau. Und ich hoffe, dass es trotzdem noch weiter geht mit der Kunst und auch mit dem Instrumenten lernen. Egal was es ist, ob es Blechmusik ist oder mit der Gitarre, oder Streichinstrument. Das wird alles irgendwann wegfallen. Weil sich die Leute alles einfacher machen wollen. Die geben das nur noch ins Programm ein und dann läuft das ab.

CA: Aber das wird auch nur aus dem zusammen gestellt, was es schon gibt.

Zille: Genau, richtig. Da gibst du die Noten ein und dann haut der dir was zusammen.

CA: Und den Text braucht man auch nicht selber schreiben?

Zille: Nein, den Text brauchst du dann auch nicht selber schreiben. Dem gibst du einfach die Stichwörter und dann haut der dir was zusammen. So, dass es zusammen passt.

CA: Das ist total unkreativ.

Zille: Ja genau. Da muss man hoffen, dass man das noch unterscheiden kann. Wer weiß, was das in zehn Jahren alles kann. Du musst ja bedenken, das entwickelt sich immer weiter. Vielleicht hast du ja schon mal den Science Fiction Film mit dem Roboter gesehen.

CA: Ich hab ‚I Robot‘ geguckt. Meinst du den Film?

Zille: Auch. Die holen sich die Informationen ja nur immer zusammen. Und das sammelt sich ja irgendwann. Immer weiter, immer größer. Man weiß nicht, wo die Reise hingeht. Da muss man schon aufpassen. Das ist genau das Gleiche, wie mit dem digitalen Geld. Wenn das alles digital ist, dann ist man dermaßen abhängig vom Staat.

CA: Es gibt auch schon führerlose U-Bahnen. Das heißt, die Maschine fährt. Und wenn die einmal ausfällt, was ist dann?

Zille: Ja, nicht nur das, sondern lass mal jemanden einen falschen Knopf bedienen oder jemanden sich da einhacken.

CA: Da gibt es auch einen guten Film zu.

Zille: ‚Stirb Langsam‘ ist das glaube ich.

CA: Ja, das kann gut sein. Mit Bruce Willis. In dem Film funktioniert dann gar nichts mehr und der ganze Straßenverkehr bricht zusammen, weil sich jemand eingehackt hat.

Zille: Ja genau. Das ist alles digital. Wenn man darüber nachdenkt, bekommt man schon Angst, oder?

CA: Ja, allerdings. Oder auch in meinem Beruf als Journalistin. Es kann sich nun jeder mit KI einen Text zusammen stellen lassen, wie er möchte. Aber da ist doch dann gar kein Leben mehr im Text drin, wenn das die KI macht.

Zille: Ja, ich hoffe, dass man das später dann auch erkennen kann. Ob das nun wirklich ein Mensch geschrieben hat oder die KI.

CA: Bei Bewerbungen ist es das Gleiche. Die muss man auch nicht mehr selbst schreiben.

Zille: Ja, da ist der Text vorgegeben. Man einfach nur noch seine Daten angeben, unterschreiben und fertig.

CA: Da muss man nicht mehr denken.

Zille: Ja genau. (lacht)

CA: Was ich ganz schlimm finde ist, wenn die junge Generation für alles nur noch Apps benutzt. Manche können echt nichts mehr alleine und müssen echt jede Kleinigkeit erst in die App eingeben. (Anmerkung, ich meine natürlich nicht alle der jungen Generation, aber einige)

Zille: Ja, richtig. Und auch in unseren Berufen. Zum Beispiel auf den Baustellen. Das werden immer weniger Leute. Manche wollen gar nicht mehr richtig arbeiten.

CA: Manche Apps sind ja sinnvoll. Aber viele sind totaler Blödsinn.

Zille: Na klar, alleine schon dieser TikTok Scheiß.

CA: Okay, Tik Tok habe ich, aber nur um Musikvideos hochzuladen. (Neben Facebook und YouTube)

Zille: TikTok ist total sinnfrei. Da gibt es nur ein paar Sequenzen und dann wird da einfach was zusammengeprügelt. Ich lerne da nichts drauß. Ich gucke ab und zu mal. Ich hab es aber nicht runtergeladen. Wenn man es nicht hat, kommt man gut mit klar.

(Wir lachen beide)

CA: Ich frage mich echt , wie manche klar kommen, wenn es das gar nicht mehr gibt, oder der Strom ausfällt. Hatte ich leider in der letzten Zeit des Öfteren mal.

Zille: Die haben ihr normales Leben total digitalisiert. Die haben sich komplett abhängig gemacht von dem ganzen Strom.

CA: Ich sag mir dann: Leute, erstmal Ruhe bewahren. Macht erstmal eine Kerze an.

Zille: Wenn die überhaupt eine Kerze haben. (lacht)

CA: Zurück zur Musik. Was bedeutet Punk bzw Punk-Rock für dich?

Zille: Ich sag immer, wir sind hier die Dorfpunks. Wir unterscheiden uns schon ein bißchen von der Stadt. Für mich bedeutet Punk Freiheit und dass man sich nicht von Texten und Musik eingesperrt fühlt. Man kann es so handhaben, wie man will. So dass man sein Genre frei praktizieren kann. Man kann politisch sein, man kann Spaß haben, man kann Blödeln, man kann einfach alles reinpacken, was man will. Bei der Pop-Musik ist das ja begrenzt, oder sagen wir mal beim Metal auch. Viele sagen da: Oh, das ist mir zu politisch, das mache ich nicht. Und bei Punk ist die Musik viel freier. Finde ich zumindest. Man ist freier und ungezwungener. Obwohl es noch genug Leute gibt, die einem sagen wollen, wie Punk funktionieren soll. Und das ist totaler Schwachsinn. Punk ist das, was man drauß macht. Frei sein und es einfach leben. Auch mal wütend sein und auch mal wieder feiern können und auch mal leise sein. Laut und leise – das kann Punk alles sein.

CA: Welche Bands beeiflussen dich?

Zille: Mich beeinflussen hauptsächlich Die Toten Hosen. Politisch gesehen eher Daily Terror und Toxoplasma. Und von Metalszene her Accept. Da habe ich mir viel von der Show her abgeguckt, aber auch von Campino. Das sind von den Punk-Rock Geschichten die Bands, die mich am meisten mit beeinflusst haben. Auch der Heavy Metal- Bereich.

Civil Courage Sänger Zille live | Photo: copyright Heike Huntemann

CA: Hast du Lampenfieber vor euren Konzerten?

Zille: Nur kurz vorher. Danach ist alles cool. Vorher gehe ich alles nochmal durch, damit ich es nicht verkacke. Wenn wir mal zum Beispiel neue Songs haben, dass ich die dann auch hinkriege, falls man mal einen Text vergessen hat. Dann gehe ich das nochmal durch. Aber kurz vorm Auftritt so circa fünf Minuten vorher, da mache ich auch noch etwas Sport, alles dehnen und sowas. Da pumpt das Adrenalin hoch, damit man dann richtig Vollgas geben kann.

CA: Auch Gesangsübungen?

Zille: Ja, einige Minuten brauche ich da für mich. Damit ich die Töne übe und das Schwebende. Das gehört mit dazu, richtig.

CA: Habt ihr als Band Rituale vor dem Konzert?

Zille: Ein richtiges Ritual nicht. Wir sind kurz vor der Show immer zusammen, gehen noch mal alles durch, was wir vorhaben. Sprechen alles durch. Ich sag jetzt mal, dass wir da jetzt einen Kreis bilden…. Das haben wir ab und zu mal gemacht. Das ist immer verschieden. Je nachdem was wir vorhaben. Unser Ritual ist: vor der Bühne treffen, durchsprechen und uns nochmal anfeuern.

CA: Wie kam das Schnick Schnack Festival zu seinem Namen? Da hat Klose gemeint, ich soll dich fragen.

Zille: (Lacht) Ich bin so gesehen der Namensgeber. Das erste Schnick Schnack Festival ist in Herzlake entstanden. Da haben wir auch gute Freunde, die uns unterstützt haben. Die hatten ein Zeltlager und dann haben wir die einfach angesprochen: Wollen wir da nicht einfach mal ein Festival drauß machen? Da wir unser eigenes Festival machen wollten, haben die uns unterstützt und meinten: Ja, dann bauen wir eine Bühne zusammen und ihr organisiert das Musikalische. Wie die Musikanlage, die Bands etc. Und dann brauchte das Festival einen Namen. Und dann fiel mir ein: Alles Schnick Schnack. Und dann hab ich einfach Schnick Schnack Festival rausgehauen. Es war einfach da. (lacht) Den Grund weiß ich auch nicht mehr, aber den Schnick Schnack hatte ich einfach mal im Kopf gehabt und den einfach mal rausgehauen. Viele benennen ihre Festivals als Emsland Rock und auch Ihre Stadt Rockt Festival und so etwas. Und Schnick Schnack gab es noch nicht. So ist das einfach aus einer Idee entstanden.

CA: Mit welcher Band würdest du gern mal einen Song zusammen aufnehmen?

Zille: Das würde ich gern mal mit den Toten Hosen machen.

CA: Hast du da schon mal Kontakt hergestellt oder hast du dich noch nicht getraut?

Zille: Nein, ich glaube wenn ich da einfach so hinschreibe werde ich ignoriert.

CA: Meinst du?

Zille: (lacht) Ich glaube, doch. Ich weiß auch nicht, wie oft die schon angeschrieben worden sind. Wenn man es gar nicht versucht, ist es vielleicht auch doof. Aber, wenn man hinschreibt und keine Antwort bekommt, fühlt man sich auch Scheiße.

CA: Wenn man es nicht probiert hat, weiß man es nicht.

Zille: Ja, richtig. Ich wüsste auch nicht, wo ich hinschreiben sollte. Vielleicht kann man das ja mal machen. Wenn man da hinschreibt zum Booking, haben die ihre eigenen Leute, die das filtern. Man kann es ja mal ausprobieren.

Civil Courage Sänger Zille live | Photo: copyright Heike Huntemann

CA: Oder vielleicht mal live zusammen?

Zille: Ja, das wäre natürlich geil. Aber ich glaube, die können sich aussuchen, wo die spielen wollen.

CA: Oder auf dem Schnick Schnack Festival.

Zille: (lacht) Ja, aber ich glaube nicht. Die spielen sonst nur vor 50 – 60000 Leuten. Aber bei uns sind ja nur 1000-2000 da. Aber es wäre natürlich geil. Auf jeden Fall.

CA: Oder vielleicht für den guten Zweck?

Zille: Ja. Na ja, anfragen kann man ja auf jeden Fall mal. Was meinst du wie viele Anfragen da wohl schon da sind und gebeten und gebettelt wird. Ich bin so ein Typ Mensch, der nicht bittet und bettelt. Entweder es passiert oder es passiert nicht. Aber gut, fragen kostet ja nichts.

CA: Gibt es Feinde der Civis? Wenn ja, wie geht ihr damit um?

Zille: Es gibt immer irgendwelche Leute. Klar auch welche die persönlich sagen: Ey ihr seid Scheiße. Auch dieses Haten sieht man immer im Internet. Ich kläre das einfach somit, dass ich das ignoriere. Man muss sich das auch erstnal verdienen, dass sich Leute einen so anfeinden, anscheißen oder doof finden. Weil so wird man wenigstens noch wahr genommen. Wenn man das nicht hätte, würde man ja nicht wahrgenommen werden. So kann man das ja auch sehen. Das muss man sich auch erstmal erarbeiten. Ich sehe das einfach nur noch durch meine Art der Ignoranz und mich macht das einfach nur noch stärker. Um denen zu zeigen: Jetzt erst recht. Als Motivation könnte man es auch sehen.

CA: Wenn es das also nicht gäbe, würdet ihr nicht wahrgenommen werden.

Zille: Ja genau. so kann man das sehen. Es kommt nicht immer nur postives Feedback. aber da merkt man: Aha, es kommt nach draußen was an.

CA: Es war aber hoffentlich nichts Krasses dabei. Zum Beispiel, dass jemand persönlich vorbei kam…

Zille: Nein, ich glaube das trauen die sich nicht.

CA: Oder, dass diese negativen Personen zum Festival kommen….

Zille: Ja, nun…die machen das hinter dem Rücken immer alles.

CA: Oder online…

Zille: Ja genau. Das ist manchmal schon beschämend für die Leute, die das unbedingt so machen wollen und müssen. Können sie auch ruhig. Aber ich finde es total bescheuert.

CA: Die Personen bekommen meist persönlich von Auge zu Auge nicht den Mund auf.

Zille: Nein, da haben die auch viel zu viel Angst vor. Und so viel traue ich denen auch nicht zu. So viel Eier haben die auch nicht.

CA: Dazu müsste man auch dazu stehen und das auch begründen können.

Zille: Ja, genau richtig. Und das können die meistens ja nicht. Die machen das einfach nur so, weil sie es scheiße finden.

CA: Manchmal gegründen die Leute ihre Kritik einfach nicht. Es ist einfach scheiße und fertig.

Zille: Ja, genau. Die können aber nicht sagen, warum das so ist oder einen Hintergrund dazu nennen. Ja, das ist schon ein bißchen arm.

CA: Ich nehme auch positive und negative Kritik zur Kenntnis, wenn diese sachlich ist. Und manches habe ich auch schon umgesetzt.

Zille: Ja, damit kann man dann auch arbeiten und das Ganze verarbeiten.

CA: Aber wenn es beleidigend, unsachlich oder respektlos ist, dann nicht.

Zille: Weil die das einfach nur raushauen. Das macht auch keinen Sinn sich das anzuhören, weil einfach nichts dahinter steckt. Und du kannst es ja sowieso nicht ändern. Erstens weißt du gar nicht, worum es überhaupt geht (lacht) und zweitens ist das einfach nur dumm. Aber wie gesagt, es motiviert einen und das zeigt einem , dass man es drauf hat und es auch wirklich kann. Das ist einfach für mich eine Motivation. Um denen einfach mal den Mittelfinger zu zeigen. Das motiviert mich, die Musik weiter zu machen. Stell dir einfach mal vor, wenn da keiner mehr ist oder zehn Jahre weiter. Ich weiß auch nicht, wie lange wir das noch machen können mit dem ganzen Kram, auf den wir Bock haben. Die Gesundheit muss mitspielen und die Leute ja auch. Wenn du irgendwo bist und das interessiert keinen mehr…. Was machst du denn dann? Dann macht das auch nicht mehr viel Sinn, wenn da keiner mehr kommt. Da können so viele Schicksalschläge passieren. Man sollte immer sehen, dass man Vollgas gibt. Das ist immer ganz wichtig. Wenn man etwas macht, sollte man es auch richtig machen.

CA: Das wollen wir mal mit den Schicksalschlägen nicht hoffen.

Zille: Nein, aber ich sehe das auch in meinem Umfeld. Wir haben ja auch vom Festival gesprochen und der Matthias Bramsmann ist einer, der uns in den ersten Jahren geholfen hat und die Dinge aufgebaut hat. Und der ist jetzt plötzlich gestorben.

CA: Oh, das tut mir leid.

Zille: Und der ist auch noch zwei Jahre jünger als ich gewesen. Und das sind auch solche Schicksalschläge. Ich wollte nur damit sagen, wie schnell so etwas passieren kann. Und im Umfeld denkt man, umso älter man wird, umso öfter muss man auf eine Beerdigung gehen.

CA: Diese Erfahrung musste ich leider auch schon machen. Man sollte das Leben genießen.

Zille: Ja, genau. Umso älter man wird, umso mehr werden es. Es gibt sogar einige, mit denen ich zur Schule gegangen bin, die gibt es nicht mehr. Die sind schon früher gestorben durch Krankheit oder Unfall. Deswegen sollte man nicht zu viele Jahre lang hinausplanen, sondern von Jahr zu Jahr schauen. Und das was man kriegen kann, sollte man auch vernünftig machen.

Ich versuche das immer so hinzukriegen, dass das was wir jetzt gerade machen, das Wichtigste überhaupt ist. Zum Beispiel unser Festival steht ja auch schon vor der Tür. Das muss man natürlich auch früh genug planen, aber das erstmal alles erleben. Leider ist das so, aber ich versuche trotzdem in der Gegenwart zu leben.

CA: Was wäre dein größter Traum, den du mit der Band noch erreichen möchtest?

Zille: (lacht) Dass wir die Nummer eins schreiben.

CA: Die Nummer eins in den Charts.

Zille: (lacht) Nein, das hört sich ein bißchen kindisch an. Es gibt eigentlich mehrere Träume. Dass man zusammen mit den Toten Hosen in einem Stadion stehen kann.

CA: Das wäre cool, oder?

Zille: Ja, das wäre cool. Das wäre vielleicht sogar ein realistischerer Traum, als das mit der Nummer eins in den Charts. Da ist alles nur gekauft, da hast du gar keine Chance. Einfach einen geilen großen Gig in einem Riesen-Stadion, wo wir mit den Hosen spielen. So etwas zum Beispiel. Das wäre eine toller Traum.

Civil Courage live | Photo: copyright Heike Huntemann

CA: Habt ihr mit den Civis ein neues Album in Planung?

Zille: Ja, bei den Songs sind wir noch dabei. Am Wochenende singe ich noch drei neue Songs ein. Das eine Lied ist eigentlich schon fertig. Das heißt Amy. Damit werden wir, glaube ich, auch einige überraschen. Weil es vom Musikalischen her ziemlich vom Punk-Rock abweichen wird. Von der Musik her, haben wir uns da übertroffen. Das ist schon eine ganz andere Hausnummer. Das hat mich selber überrascht, dass es so gut geworden ist. Und ich wollte auf jeden Fall, dass wir nochmal eine Schallplatte raushauen.

CA: Echt? Das ist ja toll. Ich liebe Schallplatten.

Zille: Ja, dass wir das irgendwie als Album hinkriegen. Wir haben so viele Songs gesammelt, aber in der heutigen Zeit ist das mit dem Tonträgerverkauf schwierig, da alles nur noch digital läuft. Hier zum Beispiel Spotify, YouTube und sowas. Das machen wir nun hauptsächlich. Und wenn wir dann alles zusammen gestellt haben und sagen, komm wir machen das nächstes Jahr und packen da unsere geilsten Lieder drauf und machen darauß eine Platte. Das ist so meine Idee, die ich noch vorhabe.

CA: Vinyl ist ja auch wieder angesagt.

Zille: Genau. Ein Album zu machen, auf CDs zu pressen und auf Konzerten zu verkaufen, da wirst du fast nichts mehr los. Weil die Leute einfach nur noch Streamen.

CA: Was hältst du denn von Streaming-Plattformen? Wahrscheinlich nicht viel, oder?

Zille: Du kannst ja die Zeit nicht zurück drehen, es ist ja alles digital geworden. Und ab circa 100000 Klicks verdienst du richtig Geld daran. Wir haben Gott sei Dank noch das Glück, dass wir unsere Unkosten alle davon bezahlt bekommen. Auch von Streaming-Diensten. Mein Spruch dazu lautet immer: Davon leben könnten wir nicht, ansonsten wären wir schon längst tot. Es ist ein Fluch und ein Segen zugleich. Natürlich hast du eine Riesen-Reichweite, bis zum letzten Zipfel der Welt. Jeder Arsch kann deine Musik hören. Aber du kannst keine Tonträger mehr verkaufen. Dann stellt sich die Frage, wenn man das nun als CD oder Schallplatte aufnimmt, ob man das Geld überhaupt zurück bekommt. Das ist dann Liebhaberei und dann steckst du da nur Geld rein.

CA: Oder du machst das so, dass die Leute vorbestellen müssen, wer eine CD oder Schallplatte haben möchte und die bezahlen im Voraus. Und dann hast du die Kosten schon gedeckt.

Zille: Ja, aber da musst du trotzdem einen bestimmten Betrag erreichen können. Ich sag mal bei 100 Schallplatten musst du circa 5- 10000 Euro einnehmen, damit das auch gepresst wird. Sonst machen die das erst gar nicht. Dann musst du den Leuten auch mal eben erklären, dass so eine Schallplatte mal eben 30 Euro kostet. Dann musst du mindestens 100 Leute haben, die das auf jeden Fall abkaufen und den Rest kannst du dann durch Streamen erzielen. Ich finde, das ist noch schwieriger geworden, als früher.

CA: Ich liebe Vinyl. Aber das ist auch ein teures Hobby. (lacht)

Zille: (lacht) Ja, ich habe auch Schallplatten zu Hause. Ich habe auch die Neue von Slime bekommen, als wir mit denen gespielt haben und gleich unterschreiben lassen. Die ist auch echt gut geworden. Du hattest ja erst gefragt, welche Bands mich mit beeinflusst haben. Slime gehören auch mit dazu. Die neue Platte von Slime heißt ZWEI.

CA: Da muss ich mal reinhören.

Zille: Ja, mach das mal. (lacht)

CA: Wie lautet dein Schlusswort an die Leser?

Zille: Man sollte in der Gegenwart leben und nicht in der Zukunft. Wir sollten viel mehr an uns selber glauben und nicht immer auf andere hören.

Das ist ein schönes Schlusswort.

Vielen Dank für deine Zeit und das Interview.

Civil Courage im Proberaum (Teil 2)
Civil Courage- Amy
Civil Courage – Moorsoldatenlied (Offizielles Musik Video)

Links:

Interview Klose 2024: https://angrabytejournalism.com/2024/07/02/working-class-punk-rock-mit-dr-titel/

Interview Klose 2023: https://angrabytejournalism.com/2023/03/15/jeder-mit-gesundem-menschenverstand-ist-antifaschist/

Website : http://civilcourage.de/

Schnick Schnack Festival: https://www.schnickschnackfestival.de/

Instagram: https://www.instagram.com/civil_courage/

Hinterlasse einen Kommentar