sharpened.lives und die Definition von Heaviness

sharpened.lives | Photo copyright: Valentin Krach

sharpened.lives und die Definition von Heaviness

Stade / Mainz. Alles ist miteinander verbunden. Das Leben ahmt die Kunst nach, die Kunst ahmt das Leben nach. Angesichts der Pandemie, die sich durch die Gesellschaften zieht und die fehlende Zusammenarbeit zwischen den Nationen bei der kollektiven Lösung eines Problems offenbart, nahm eine Idee, die 2018 entstand, 2020 in Groningen Gestalt an. Aus der Idee, Heaviness neu zu definieren, wurde sharpened.lives, ein Projekt, das Aspekte des journalistischen Lebens, queere Perspektiven und intersektionale Wahrnehmungen der Gesellschaft in experimenteller Musik verbinden sollte.

Vor Kurzem entdeckte ich den Song O.R.A. von sharpened.lives. Mein Interesse war sofort geweckt. Der Kontakt zu Sänger St//tches (Alex Loeb) entstand und wir beschlossen, ein Telefoninterview zu führen. Im Interview erfahrt ihr Hintergrundstorys zu seinem Projekt sharpened.lives, seine Meinung zur Musikszene und vieles mehr. Seht im Anschluss ein exklusives Video von sharpened.lives auf meinem Angrabyte.Journalism YouTube Kanal, welches ich euch unter diesem Interview verlinkt habe.

Ein Interview von Christina Angrabeit

CA: ,,Du sprichst fließend amerikanisches Englisch und bist Halbamerikaner?

St//tches: ,,Genau und ich denke sogar eher in Englisch und bin zweisprachig aufgewachsen.“

CA: ,,Bist du in den Staaten geboren?“

St//tches: ,,Ich bin hier in Mainz geboren und habe ein Jahr in den USA gelebt. Mein Vater ist US-Amerikaner und 80 Prozent meiner Familie wohnt dort drüben.“

CA: ,,Dann brauche ich wohl nicht nachfragen, was dich nach Mainz verschlagen hat. Dann bist du anscheinend wieder zurück nach Deutschland gekommen.“

St//tches: ,,Ja, ich bin quasi wieder zurück gekommen. Und habe vorher auch in Holland gelebt.“

CA: ,,Wie viele Sprachen sprichst du insgesamt?“

St//tches: ,,Zwölf, mehr oder weniger – Ich bin Polyglott. Deutsch, Englisch, Französisch und Niederländisch fließend. Und dann noch Spanisch, Griechisch, Russisch, Bulgarisch, Italienisch, Portugiesisch, Rumänisch und Luxemburgisch. Aber da halt von Anfängerlevel bis conversational.“

CA: ,,Wie kam es zum Projekt sharpened.lives?“

St//tches: ,,Das ist eine sehr interessante Gründerstory und zwar war es so, dass ich hier sehr lange vorher eine Band hatte. Diese war in ihrer Endform sozusagen etwas ähnlich zu unseren elektronischeren Sachen jetzt. Das Projekt hieß Another Timelapse. Dort ist mein bester Freund mit dabei gewesen, den  kenne ich schon seitdem ich vier war aus dem Kindergarten. Die Band hat sich 2018 aufgelöst. Es lagen aber noch zwei Songideen herum und ich habe dann halt dem Drummer gesagt, was machen wir mit diesen Songideen oder wie gehen wir das mit Musik an? Und er hat damals schon gesagt: ,, Ja behalt‘ die doch mal, vielleicht bieten die sich noch an und wir können damit zu einem späteren Zeitpunkt noch etwas machen.“ Diese Songs heißen Fear and Loathing in DC und der andere hieß Almost There. Auf jeden Fall habe ich das dann gemacht und bin für meinen Master nach Holland und dann 2020, kurz bevor in den USA wieder die Wahlen anstanden, habe ich dann Fear and Loathing in DC in der Endfassung aufgenommen. Aber mittlerweile ist es noch mehr überarbeitet worden, was schon drei Jahre her ist. Auf jeden Fall war es der Startpunkt für das Projekt, aber ich hatte eben keine Musiker, mit denen ich das live hätte spielen können. Und dann war es eher so ein Solo Ding, was ich ein, zwei Jahre vor mich her geschoben habe, während ich in einem anderen Projekt war, wo wir Akustik-Pop gemacht haben. Gesang mit Harmonien, also ganz anders. (lacht) Auf jeden Fall, als ich nach Holland gezogen bin, haben sich quasi Ideen manifestiert und ich habe manche Songs geschrieben, aber nie gewusst, wohin damit und wie sie sich irgendwann mal in Auftritten oder grundsätzlich in Songs manifestieren könnten. Als ich aus Holland in 2022 wieder zurück gekommen bin habe ich erst viel Zeit für mich gebraucht aus privaten Gründen; habe dann wieder angefangen Songs zu schreiben und mich mit meinem besten Freund zusammen geschlossen. Sein Name ist Freddy und er ist auch der jetzige Drummer von sharpened.lives und das ist prinzipiell die Gründerstory. Letztes Jahr im September habe ich dann Niklas auf einem Weinfest getroffen und darüber gesprochen, ob er nicht beitreten wollen würde. Das kam mir als spontane Idee, da wir schon seit Jahren etwas zusammen machen wollten. Wir kennen ihn schon seit 2012 oder 2013 und er hat sofort ,,Ja“ gesagt. Seitdem haben wir dann an Projekten und Ideen gearbeitet und sind dieses Jahr ready, um die EP später im Sommer rauszuhauen.“ 

St//tches von sharpned.lives | Photo copyright Valentin Krach

CA: ,,Hat der Name sharpened.lives eine Bedeutung?“

St//tches: ,,Der Name hat gar keine Bedeutung, sondern es war ein Wortspiel. Es bezog sich auf sharpened knives, also quasi geschliffene Messer. Und ich bin in mich gekehrt und habe mir gedacht, das ist einfach zu ‚try hard emo’ vom Namen her und dann habe ich überlegt, wie wäre es, wenn wir diesen typischen Wortwitz machen, den ich eh schon mache. Ich habe so einen Running Gag am Laufen mit einem guten Freund von mir aus der siebten Klasse, so dass ich die Konsonanten am Anfang von Worten vertausche. Auf jeden Fall habe ich dann aus Knives das Wort Lives gemacht und auf einmal hat das ganze Wort eine komplett neue Bedeutung bekommen, die eben nicht in eine Schublade zu stecken ist. Und ich glaube auch ganz gut ein Zeichen, wo wir uns musikalisch und thematisch bewegen . Es kann alles heißen von geschärftem Blickwinkel oder Dinge sind gefährlicher, weil es Ecken und Kanten gibt und es scharf ist. Es kann sehr viele Dinge bedeuten und ich will es auch jeder Person selbst überlassen, sich da eine Meinung zu bilden und das zu interpretieren.“

CA: ,,Du bist auch Journalist. Gibt es Bereiche, wo du den Journalismus mit dem Storytelling verbindest? Beispielsweise auch in den Lyrics deiner Musik?“

St//tches: ,,Ja, da gibt tatsächlich sehr, sehr viele Beispiele. Das eine wäre zum Beispiel Fear and Loathing in DC. Es ist ein Song, den ich geschrieben habe zu dem zwei Parteien-System in den USA und vor allem der Art und Weise, wie die quasi Mainstreamberichterstattung, CNN und FOX News als Beispiele genannt oder auch MSNBC, wie die über Konflikte Inlands und Auslands berichten und über die einzelnen Parteien und deren Vertreter. und Und dann eben im Umkehrschluss auch die alternative neue Medienlandschaft auf YouTube, auch genannt die Alternative News Network, schließt sich zusammen prinzipiell aus YouTubern, die eben ihren Kanal wie eine normale Tagesschau oder so etwas aufziehen, aber halt eben zum Beispiel viel radikalere Standpunkte vertreten, noch viel emotionaler berichten. Das Interessante, was ich noch durch die Recherche für meine Masterarbeit herausgefunden habe ist, dass immer noch irgendwo so ein bisschen Wahrheit drin steckt, weil es doch abseits von dem ist, was man immer nur im normalen Fernsehen oder so hört in den USA. Das hat mir dann halt diese Sichtweise gegeben, dass die Art und Weise, wie in den USA vor allem Medien funktionieren, das ist einfach dieses binäre zwei Parteiensystem – dieses schwarz weiß Denken, gut oder böse, Demokrat oder Republikaner, konservativ oder progressiv – immer nur gegeneinander ausgespielt wird, wobei die beiden Parteien, die diese Werte theoretisch  repräsentieren, quasi ‚two sides of the same coin‘ sind.
Weil es alles immer noch sehr mit der Lobby vernetzt ist und ja… ich könnte da jetzt sehr ins Detail gehen. Auf jeden Fall war dieser Song ein Standpunkt dazu. Es war jetzt nicht per se ein politischer Song, ich würde eher sagen, es ist ein sozialkritischer Song im Bezug auf Mediennutzung, Medienwirkung und auch Medienschaffung ab den 2000er Jahren.“

CA: ,,Findest du, dass sich die amerikanischen Medien von den deutschen Medien unterscheiden? Oder von den europäischen? Und wenn ja, wie?“

St//tches: ,,Was ich dazu sagen würde ist, dass die US-Medien sehr sehr viel auf frontale Attacke zielen, das heißt, man würde jetzt nicht in Deutschland zehn Werbespots von der AFD , der SPD oder den Grünen oder so weiter sehen. Und in den USA ist das eben ja quasi mit gekauft. Auf CNN laufen dann die demokratischen Werbungen für die Kandidaten und Kandidatinnen und auf FOX News eben für die Republikaner. Das ist ja eigentlich schon so banal, dass wir überhaupt an dem Punkt sind, in diesem Land, dass sich trotz der digitalen Natives, die hier groß werden, die sich die Infos überall herholen können, dass es immer noch so ein vorherrschendes Konzept ist. Das schockiert mich einfach manchmal. Weil ich das eben auch von meiner Familie weiß und von Leuten dort drüben, wie sehr Themen grundsätzlich dort polarisieren. Wenn man nicht mehr in der Lage ist, sich irgendwo an den Esstisch zu setzen und normal zu reden, ohne dass es zu Politik kommt und sich Leute anschreien, dann ist das ja irgendwie kein Austausch mehr. Da findet keine Konversation statt, sondern einfach nur die Schlagworte, sowohl jetzt von denen, die sich demokratisch oder links sehen oder auch die ganz Rechten. Das driftet immer weiter auseinander. Ich beobachte das als großes Problem, wenn der Austausch grundsätzlich nicht mehr stattfindet.“

CA: ,,Welche Sounds haben deine Musik beeinflusst? Was ist dir beim Songschreiben besonders wichtig?“

St//tches: ,,Da gibt es allerlei Einflüsse. Die habe ich sogar bei uns auf Instagram als Highlights verlinkt. Unter “Inspos”. Man muss sich darunter vorstellen, dass sowohl Freddy, Niklas als auch ich von sehr anderen Backgrounds kommen, was Musik angeht. Sowohl in Bezug auf die Musik, die wir gemacht haben, die wir hören und auf welche Konzerte wir gehen. Niklas, zum Beispiel, war früher in einer Indie-Rockband und ist, glaube ich, eher von dem Post Punk Ding und anderer Musik dieser Art beeinflusst, hört aber auch härtere Musik. Freddy und ich sind aufgewachsen mit der allerersten Band und zwar den Backstreet Boys (lacht) und I Want It That Way war einfach der absolute Knaller als wir drei und vier waren. Wir waren mit Sonnenbrillen im Wohnzimmer und haben dazu getanzt. Und kurze Zeit später wurden wir dann musikalisch versaut indem Freddys Vater uns Smack My Bitch Up von The Prodigy gezeigt hat, auch als wir so ungefähr in dem Alter waren. Auf jeden Fall hab ich mich als Muttersprachler immer gefragt: ,,Oh Thomas, was sagt ihr eigentlich da? Ich kenne das Wort gar nicht?“ Und er hat dann nur geantwortet: ,,Snap my picture“. Das habe ich dann auch Jahre lang geglaubt, bis ich selbst irgendwann in der Lage war zu googeln. (lacht) Dazu diese kleine Anekdote. (lacht) Das war quasi der Anfang und da wurde mir schon klar, okay, ich mag sehr viele verschiedene Sachen. Ich mag so wohl melodische Dinge, als auch chaotische und auch elektronisch angehauchte Sachen. Das hat nicht lang gedauert, bis ich dann in meine Teeniephase kam beziehungsweise präpubertäre Phase mit zehn oder elf, da hab ich mit Green Day und Billy Talent angefangen, danach ging es ganz schnell zu System of a Down, Korn, Limp Bizkit, Muse und Enter Shikari, später auch Deftones. Und davon formte sich ein Großteil, der großen Einfluss von dem, was wir machen. Ich würde da noch ein paar andere Projekte nennen um das zu kontextualisieren: Von der Rauheit her und der Aggression ist sehr von Loathe oder Code Orange beeinflusst. Die Elektronikparts, die Synthesizer und Gitarrenparts verbinden sind eindeutig von Enter Shikari beeinflusst, da ich diese Band einfach über alles liebe. Und das schon seit 2009. Und 2016 sind definitiv die Deftones noch als großer Einfluss hinzugekommen. Ich glaube, man hört es bei uns auch raus, dass wir gerne im Gesang sehr shoegazy Melodien kreieren, die nicht so einer ganz normalen Melodiefolge nachgehen. Und das haben wir uns eindeutig von Leuten wie Chino von den Deftones abgeschaut.

Unsere Musik ist sehr von vielen verschieden Musikrichtungen beeinflusst. Unter anderem zum Beispiel auch von EDM, also elektronischer Tanzmusik, dabei besonders Drum ’n Base und Rominimal. Das ist eine Musikrichtung , die aus Rumänien kommt. Diese ist der Ursprung von Minimal House oder Minimal Techno. Das ist so ein bißchen die Geburtsstunde davon. Also es ist etwas, das auch noch längerfristig auf jeden Fall sichtbar werden wird, was da einen Einfluss auf die Musik hat. Ansonsten auch Grunge, Nu Metal, Alternative und sogar Indie- und Progressive Rock.“

CA: ,,Was ich auch in einem Artikel gelesen habe ist, dass du auch Math Rock machst? Ist das richtig?“

St//tches: ,,Ja, genau. Diese Art von Taktwechseln oder mit einfach etwas komischen Übergängen, die zumindest beim Rhythmus her ein bißchen off klingen, sind eine richtige Vorliebe von mir und meinem Drummer. Das machen wir gefühlt, seitdem wir geboren sind und Musik machen. Da haben wir schon immer komische Takte gehabt. Das ist quasi wie ein Hobby, was wir nun endlich mal zusammen ausleben können in diesem Projekt. (lacht)“

CA: “Wie bist du eigentlich zum Journalismus gekommen? Machst du das hauptberuflich?“

St//tches: ,,Ich habe in Holland mein Master im Journalismus gemacht. Davor habe ich Publizistik in Mainz studiert. Ich bin ein richtig großer Informations- und Akademie-Nerd. Wenn es um ein Thema geht, was mich interessiert, dann setze ich mich auch noch Abends stundenlang hin und schau mir YouTube Dokus oder andere Dinge an, die ich dazu durch Eigenrecherche finden kann. Ich glaube, dass das vor allem von meinem Musikjournalismus kommt, den ich seit 2015 mache. Ich habe vorher für ein anderes Magazin geschrieben und mittlerweile habe ich meinen eigenen Newcomer Blog, der heißt The Draft Media. Dort interessiere ich mich für neue Talente, Underground-Künstler und auch Perspektiven, die ich dann auch mal auf Englisch wiedergeben kann und nicht nur auf deutsch. Das ist dann relativ befreiend für mich. Ich habe auch ein paar Interviews dabei. Das ist aber eher grundsätzlich ein Hobby. Ich interessiere mich sehr für die investigative Arbeit und auch Social Media Management. Was auch gut zu sagen wäre: Wir sind eine DIY Band, beziehungsweise ein DIY Projekt.  Wir haben wirklich nur unsere Mitglieder und einen jeweiligen Produzenten, mit dem wir arbeiten. Im Moment haben wir da The Mixing Mine, die kann ich echt empfehlen, weil Phil ist ein super Produzent und er weiß ganz genau, was er macht. Er lässt den Bands den kreativen Freiraum.“

CA: ,,Und das Studio befindet sich in Mainz?“

St//tches: ,,Nein, das ist in NRW. Also wir arbeiten remote mit allen Ideen. Weil ich dieses Projekt quasi so gestartet habe und erst einmal so fortsetzen möchte, dass es so Desktop Artist mäßig ist, so dass wir quasi alles selbst bearbeiten und selbst alleine einstudieren, selbst vorproduzieren, Sound Design Konzepte entwickeln und das dann quasi als fertiges Paket an den Produzenten geben, damit der dann daraus etwas macht. Aber wir gehen jetzt nicht irgendwie rein und sagen: Hier, ich habe einen Beat und dieses Gitarrenriff, mach mal einen Song draus. Das ist ein schon sehr geschlossener Prozess bei uns, würde ich sagen. Da wir alle drei wissen, wo wir klanglich hin wollen. Welche Dinge wir austesten wollen, da wir mehr oder weniger Polygenre oder Genre Fluid sind in unserem Ansatz, wie wir Songs schreiben.“

sharpened.lives | Photo copyright: Valentin Krach

CA: ,,Wie du ja schon erwähnt hattest, ist eine EP in Planung. Habt ihr schon einen Namen dafür? Was erwartet den Hörer und wann kommt diese voraussichtlich raus?“

St//tches: ,,Die EP heißt st//tches, also wie mein Künstlername. Dieser fasst sozusagen zusammen, was ich an musikalischen und privaten Erlebnissen in den circa letzten sechs bis sieben Jahre hatte. Das ist quasi das erste Statement und wir sind auch schon an der zweiten EP mit Songs dran, die wir aber da nicht mit auf die erste Platte packen wollten. Voraussichtlich erscheint die EP im September, aber dazu gibt es dann noch nähere Infos. Wir werden am 7. September 2024 eine Show mit Lyink aus Wiesbaden haben und da soll dann voraussichtlich der EP Release sein.“

CA: ,,Wird es dann auch eine Tour geben? Oder kannst du das noch nicht ganz genau sagen?“

St//tches: ,,Ja, Tour ist ein dehnbarer Begriff, würde ich sagen. Wir sind natürlich DIY und versuchen uns alle Sachen raus zu suchen. Wir sind gerade am Booking dran, so dass wir es im besten Fall schaffen mehr Deutschland Daten in diesem Jahr zu kriegen. Vielleicht sogar auch in Belgien oder Holland, weil ich dazu vor allem einen speziellen Bezug zu habe und ansonsten schauen wir einfach mal, wie die Reise weitergeht im Moment. Wir sehen das relativ gelassen. Schauen wir mal, was wird.“

CA: ,,Was ist die Hintergrundstory zum Song O.R.A.?“

St//tches: ,,Der Song entstand aufgrund einer Reise zum Electric Castle Festival in Rumänien – ein unglaubliches 24/7 Festival mit 8 Bühnen, Musikrichtungen, von denen man nie gehört hat, und anstregendem Kontinentalklima. Daher mischt der Song so exzentrisch verschiedene Stilrichtungen und Kontraste, wie es eben dort auch war. Auf dem Gelände treffen Electro auf Metal, Punk, Trap, Hip-Hop und mehr. Genau das wollten wir hier im Sound einfangen, den wir bei O.R.A. auspacken.“

CA: ,,Mit welchen Künstlern würdest du gerne einmal zusammen arbeiten?“

St//tches: ,,Fever 333, Wargasm aus England und Every Hell aus Brighton. Auch aus England.“

CA: ,,Oh, Brighton. Aus Brighton kommt ein guter Freund von mir.“

St//tches: ,,Ja, Brighton ist generell eine super faszinierende Künstlerstadt.  Mein Gesangslehrer kommt auch aus Brighton und er erzählt mir immer lustige Geschichten davon, wie vernetzt dort alles ist. Dass es prinzipiell wie ein Dorf ist. Wo jeder auf den Spielplatz geht und zusammen Songs schreibt. So etwas vermisse ich persönlich zum Beispiel in der Stadt Mainz oder auch in Frankfurt. Man hat so das Gefühl, das außerhalb von England die Musikszene immer so individualistisch versucht sein Zeug durchzuboxen, aber kein Austausch zwischen den Künstlern stattfindet bzw. das eher so sehr sehr Underground ist. Also ich schließe meine meisten Connections sogar auf Raves. Das ist ganz interessant, was man da für Menschen trifft. Man trifft dort alle Leute von Punkern zu Rappern zu EDM-Artists, Techno, Drum n Bass bis zu Hardstyle. Wirklich jede Art von Musik, die man sich vorstellen kann. Da fährt der Kurs komplett anders und es ist super super erfrischend mit all diesen Menschen zu sprechen. Über ihren Ansatz, was Musik für sie bedeutet, wie sie produzieren und was sie produzieren. Das öffnet immer neue Türen. Das ist einfach eine super, super tolle Erfahrung.“

CA: ,,Was war bis jetzt dein emotionalstes Erlebnis auf der Bühne beziehungsweise auch auf der Straße? Da ich gesehen habe, dass du auch auf der Straße gern performst.“

St//tches: ,,Ja, da muss ich kurz nachdenken. Also es gab sehr, sehr viele Arten von Erlebnissen, die so waren. Ein Beispiel: Ich war mal in Frankreich auf einer Straßenmusiktour. Ich habe alles selbst, zusammen mit meinem alten Bandkollegen Cahleo von Wing It, organisiert. Es war wirklich chaotisch, aber es hat Spaß gemacht. Da war ich in zwölf verschiedenen Städten in acht Wochen.“

CA: ,,Wow!“

St//tches: ,,Man trifft so oft irgendwelche Leute auf der Straße, zum Beispiel in Frankreich, vor allem in Süd Frankreich, die sich dazu setzen. Dann hören die sich eine Stunde lang deinen Kram an und danach gehen die mit dir noch irgendwo ein Bier trinken, an den Strand oder zeigen dir die Stadt. Das sind Erlebnisse, die einem keiner nehmen kann und die man eigentlich auch nicht so hat wenn man nur in die Stadt zieht und die Touri-Attraktionen abklappert, anstatt sich mit Leuten auseinanderzusetzen, die eben dort herkommen und oder zumindest länger dort wohnen und einem die Stadt zeigen wollen. Das sind die tollsten Erlebnisse und auch die emotionalsten, wenn man so viel lernt über Kulturen, Meinungen, Interaktionen und Sitten. Die Liste ist endlos.“ 

CA: ,,Ich hatte in einem Artikel im Internet gelesen, dass du auch in Griechenland studiert hast?“

St//tches: ,,Das ist korrekt. Ich habe in 2017 in Thessaloniki für ein Auslandssemester gewohnt und das war tatsächlich der Zeitpunkt, wo ich das erste Mal vollkommen fremde Musikkulturen  hautnah erlebt habe. Also zum Beispiel Sirtaki oder andere griechische Tänze. Wenn man dort zum Beispiel trinken geht, kostet ein Weißwein nur 3,50 Euro und du kriegst 0,5 Liter. Und neben dran hast du eine Liveband  mit vier oder fünf Instrumenten, die Livemusik spielen. Die Leute tanzen dazu, es gibt überall leckeres griechisches Essen. Das war eine krasse Erfahrung, die mich musikalisch recht viel geprägt hat. Ich fühle mich so in meiner Künstleridentität und der Art, wie ich Musik mache, zwischen diesen vielen Orten und Kulturen, inspiriert. Ist es einfach ein wilder Mix aus US-Einflüssen, französischen, spanischen, mexikanischen, portugiesischen, griechischen, niederländischen und ein paar deutschen und besonders UK-Einflüssen. Aber es mischt sich alles gerade so zusammen und langsam habe ich da auch einen Weg gefunden, dass das ganze für mich musikalisch einen Sinn ergibt. Aber das ist noch ein weiter Weg.“ (lacht)

CA: ,,Du bist ja schon weit auf der Welt herum gekommen. Gab es einen Platz, wo du am liebsten gewohnt hast? Oder wo du es am schönsten fandest?

St//tches: ,,Prinzipiell würde ich sagen, ich hatte ein wirklich cooles Umfeld während meiner Studienzeit, als ich in Groningen gewohnt habe. Aber das ist einfach so ein Kapitel, was mittlerweile abgeschlossen ist. Das ist eben eine Studienstadt, man merkt, wenn man dahin zurück kommt, viele Dinge bleiben einfach genau so stehen, wie vor drei Jahren. Das ist wirklich so, als wenn man so einen Screenshot machen und nach einem Jahr wieder aufrufen würde. Wenn ich sagen würde, “was passiert jetzt eigentlich in Groningen?”, ist die Antwort: es hat sich relativ gesehen nichts verändert. Aber die Zeit dort war einer der aufregendsten und coolsten, die ich jemals hatte.“

CA: ,,Ich nehme an, dass du Multi-Instrumentalist bist. Wie viele Instrumente spielst du?“

St//tches: ,,Ja. Ich bin mit dem Schlagzeug aufgewachsen. Ich habe tatsächlich mit unseren Drummer Freddy angefangen. Wir waren früher schon in Trommelgruppen. Dann ganz lange in einer Percussion- Gruppe, wo wir vor allem brasilianische Dinge und Samba etc. miteinander gespielt haben. Mit einem Ensemble von zehn bis 18 Leuten. Danach habe ich mit 13 oder 14 angefangen, mir Akustikgitarre beizubringen. Beziehungsweise erst die Gitarre und dann die Akustikgitarre.“

CA: ,,Lernt man nicht normalerweise zuerst Akustikgitarre, bevor man E-Gitarre lernt?“

St//tches: ,,Ja, da stand eben eine E-Gitarre im Wohnzimmer meiner Mutter herum. Das war so eine Marathon Stratocaster und ich habe mich Monate lang gefragt: Was ist das? Und wie spielt man das? Und irgendwann hab ich sie einfach in die Hand genommen. Dann habe ich mir von Billy Talent ein Gitarrenbuch zu Billy Talent III bestellt und das ganze Album gelernt, dann American Idiot und danach habe ich direkt gedacht, okay ich möchte ein bißchen schnellere und härtere Sachen spielen und habe mir auch von System of a Down und Slipknot solche Bücher gekauft, um es mir selbst beizubringen. Ähnlich war es dann auch mit dem Bass. Ich kam mit 15 oder 16 dazu, weil ich in einem Musikwarenladen hier in Mainz gearbeitet hatte. Da habe ich mich in einem Raum verzogen und habe heimlich Bass geübt, wenn keine Kunden da waren. (lacht) Das ist da so die Geschichte und für längere Zeit dachte ich dann, ich würde noch vielleicht Musiklehrer werden und hab Schulpraktischen Unterricht für circa zwei oder zweieinhalb Jahre als Klavierlehrer genommen. Daraus hat es sich ergeben, dass ich mir Synthesizer, Programming, Sampling, Umgang mit Audiotechnologie oder Schnittprogrammen dann auch noch selbst beigebracht habe. Das ist sozusagen meine grobe Fassung.“ 

CA: ,,Wenn du die E-Gitarre bei deiner Mutter gesehen hast, ist diese dann auch musikalisch tätig?“

St//tches: ,,Ja, meine gesamte Familie war immer sehr musikalisch. Mein Vater hat früher gesungen und Akustik Gitarre gespielt und auch sehr viele Songtexte sowie Gedichte geschrieben. Meine Mutter ist Lehrerin und singt schon ihr ganzes Leben lang. Sie hat früher auch Gitarre und Klavier gespielt und meine Schwester hat früher auch gesungen und Gitarre gespielt.“

CA: ,,Hast du auch schon ein Album-Artwork für die EP? Arbeitest du da mit jemandem zusammen oder machst du das selbst?“

St//tches: ,,Nein, für die Grafik haben wir tatsächlich die Fabienne, @brightxswan auf Instagram. Die macht für uns das Artwork. Sie hatte dies bereits für O.R.A. entworfen und auch für Trenches. Sie wird in Zukunft da etwas für uns machen. Ansonsten sind wir aber vollkommen alleine gestellt.“

CA: ,,Wenn wir noch einmal zum Journalismus zurückgehen. Was hältst du persönlich von Chat GPT und künstlicher Intelligenz? So dass sich jeder einen Text kreieren lassen kann und so eventuell der Beruf des Journalisten in den Hintergrund rückt?“

St//tches: ,,Ich bin da der Überzeugung, dass das Ganze mit dem Stichwort Media Literacy zusammenhängt. Also inwiefern sind wir als Individuen dazu fähig das Internet , Plattformen und Tools zu benutzen, damit wir quasi auch was daraus ziehen können. Ich bin eigentlich im Ansatz ein Gegner von AI. Also, dass man dann quasi überall einfach Bilder zieht oder Artwork künstlich generiert. Da gab es auch sehr viele Skandale. Zum Beispiel, das war auf dem Flug nach Frankreich zu dieser Straßenmusiktour, da habe ich sehr viel über diese Affen und diese Bilder, die über AI generiert worden und dann über Bit Coin quasi verkauft wurden, gesehen. Das war ein Riesenskandal. Weile es im Endeffekt alles nur zusammengesetzte Bildfragmente waren, aus Dingen die im Internet vorhanden sind, um in Anführungszeichen “Kunst“ zu kreieren. Und ich finde, wenn wir dazu kommen, dass wir unsere Kunst vollkommen mit AI ersetzen und gar keinen Input rein geben und sagen hier hast du ein Stichwort, mach mir ein Musikvideo – Was hat dann Kunst noch für eine Authentizität? Das ist der Hauptgrund warum wir mit unserem Ansatz, wie wir Social Media machen, eben sehr, sehr, sehr rau und ungefiltert wirken, und weil wir das eben rüberbringen wollen, dass es eine Riesenkluft ist zwischen dem, was die Leute praktisch machen und dem, wie sie das eigentlich schneiden oder umsetzen könnten, wenn sie es selbst machen würden. Und ja, dem gegenübergestellt eben AI, wie es funktioniert und man sich da irgendetwas bastelt kann…. Ich sehe es als problematisch an. Aus der journalistischen Sicht hingegen würde ich sagen, muss man sich eben die Tools aneignen und kann es zu Recherche Zwecken zum Beispiel nutzen. Damit mit kann man zum Beispiel einen Datensatz von verschiedenen Standorten auf Google Maps exportieren und das mit einem AI Tool sofort in eine Excel Tabelle mit verschiedenen Parametern aufschreiben und auflisten. Dafür kann das nützlich sein, aber eben nicht, wenn wir vollkommen den kreativen Aspekt der Künstlerschiene flöten gehen lassen.“

CA: ,,Was erwartet den Leser bzw. Hörer im exklusiven Video für Angrabyte Journalism?“

St//tches: ,,Im exklusiven Video erwartet euch eine kleine Probenraumtour und Equipmenterklärung.“

CA: ,,Möchtest du abschließend zu dem Interview noch etwas hinzufügen?“

St//tches: ,,Ja, ich möchte allen Leser*innen und Lesern danken für das zuschauen und zuhören und wenn ihr das noch nicht gemacht habt, hört gerne in die neue Single hinein. O.R.A. heißt sie. Ich bin St//tches von sharpened.lives und ich wünsche euch einen schönen Start in den Frühling.“

CA: ,,Herzlichen Dank für das Interview und natürlich für das exklusive Video für Angrabyte Journalism.“

sharpened.lives rig rundown
sharpened.lives – O.R.A. (lyrics & visuals)
sharpened.lives – O.R.A. guitar playthrough & section breakdown

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